Die Rolle der Strafprozesse wegen Menschenrechtsverletzungen und ihre sozialen Effekte in Argentinien


Die Dissertation wird analysieren, in welcher Form sich Strafverfolgungen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen, die während der letzten argentinischen Militär-Diktatur (1976-1983) begangen wurden, in der Gesellschaft widerspiegeln. In diesem Rahmen wird im Promotionsvorhaben auch untersucht, wie die Praxis des Verschwindenlassens, Hauptmethode des argentinischen Staatsterrorismus, von strafrechtlichen Prozessen behandelt wird.
Strafverfolgungen wegen Menschenrechtsverletzungen werden oft als ein wesentliches Element einer Vergangenheitspolitik bezeichnet. Man behauptet, sie zielen darauf ab, die Wahrheit über geschehene Grausamkeiten aufzudecken und an die Öffentlichkeit zu bringen, die Täter zu bestrafen, den Bedürfnissen der Opfer gerecht zu werden, den Rechtstaat zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass in der Zukunft keine weiteren Menschenrechtsverletzungen stattfinden. Aber auch wenn das sogenannte "gesetzliche Paradigma", das die Anwendung des Gesetzes als das Hauptinstrument bei der Opferentschädigung betrachtet, auf nationaler und internationaler Ebene große Relevanz erlangt hat, sind die Strafverfolgungen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen auch kritisch zu hinterfragen. Die Bedeutung des Gesetzes und von strafrechtlichen Prozessen beruht größtenteils auf der „Legitimationskraft” die der Gesetzesdiskurs in der Gesellschaft als Kriterium für Wahrheit hat. (Foucault). Vor diesem Hintergrund gilt es, folgende Fragen zu klären: Welche Rolle und gesellschaftliche Auswirkungen haben strafrechtliche Prozesse bei der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit? Welche gesellschaftlichen Darstellungen des Staatsterrorismus und des Verschwindenlassens unterstützen und ermöglichen die Strafverfolgungen? Welche historischen, politischen und sozialen Dimensionen des Staatsterrorismus werden in Gerichtsprozessen erwähnt und hervorgehoben? Welche Erwartungen werden mit den strafrechtlichen Prozessen verbunden? Welche Darstellung von den Opfern, den Täter und der Gesellschaft werden abgebildet und unterstützt?

Die Untersuchung wird auf der Fallstudie Argentiniens basieren. Dem Ziel der Fallstudie entsprechend stützt sich die Dissertation auf Methoden der qualitativen Sozialforschung. Anlehnend an die theoretischen Grundlagen sollen mit einem Methodenmix aus Textanalyse (wissenschaftliche Texte, Urteile, journalistische Quellen, offizielle Mitteilungen, Dokumentationen von Nichtregierungsorganisationen, u..a.), nicht-teilnehmenden Beobachtungen der gerichtsverfahren, und Interviews systematisch Daten erhoben, analysiert und interpretiert werden, um anschließend Schlüsselkategorien zu bilden. Während eines Feldforschungsaufenthaltes in Argentinien werden Richterschaft, RegierungsvertreterInnen sowie RepräsentantInnen von verschiedener Opfern-und Menschenrechts-Organisationen, die in Argentinien an den Gerichtsverfahren teilnehmen, durch eine qualitative Fragebögen befragt werden. Aus der Auswertung der Methodologische Vorgehensweise und Materialanalyse soll ein theoretischer Rahmen zur Untersuchung der Rolle, der Modalitäten, der Ziele und der Effekte von strafrechtlichen Prozessen wegen Menschenrechtsverletzungen entwickelt werden.